Das Ende der spirituellen Ära
- Annelie Schober

- Jul 8
- 4 min read

Es ist soweit. Zumindestens in meinem Leben. Nach Jahren der Erschaffung einer neuen spirituellen Identität komme ich zu der Erkenntnis: Dieses Konstrukt hat ausgedient.
Nach 10 Jahren intensivster innerer Arbeit spüre ich, das auch die spirituelle Welt (wie ich sie bezeichne um es zu verdeutlichen) ein eigenes Gefängnis darstellt aus dem jeder zu seinem eigenen Zeitpunkt ausbricht.
Wir alle, die diesen Weg der Selbstfindung gehen, starten damit, das wir uns wie Aliens auf der Erde fühlen: Nicht dazugehörig, anders, besonders, sensitiv, lebensmüde.
Die meisten von uns starten ihren Weg in ein neues Bewusstsein durch Schmerz. Und zwar ist es meist ein unerklärlicher Schmerz darüber, hier auf der Erde sein zu müssen, doch irgendwie nicht in diese Welt zu passen.
Das ist der Moment in dem wir lernen, uns selbst zu begegnen. Es ist der Moment, in dem wir im Außen keine Antworten mehr finden und uns alternative Wege suchen. Denn es gibt für uns nichts mehr im Außen, das uns Antworten liefern könnte.
Und so begeben wir uns auf unsere eigene Pilgerreise in der Hoffnung, etwas zu finden, von dem wir am Anfang nicht genau wissen, was es sein könnte.
Der spirituelle Weg ist wie eine Offenbarung. Wir finden die richtigen Menschen, die uns begleiten, machen Retreats und Kurse, lesen Bücher, nehmen an Workshops und Zeremonien teil, die uns helfen, unsere innere Welt besser zu verstehen.
Wir lassen unser altes Leben hinter uns. Der Freundeskreis wechselt und Höhen und Tiefen prägen unseren Weg.
Wer sich auf den spirituellen Weg begibt, wird über Jahre oder Jahrzehnte Erfahrungen sammeln, die einen daran erinnern, wer wir wirklich sind.
In dieser Zeit schwören viele von uns dem irdischen Leben bewusst oder unbewusst ab, entwickeln neue gesündere alltägliche Routinen um ein bewussteres Leben zu führen.
An dieser Stelle möchte ich - wie so oft - gern erwähnen: Wir müssen von einem Extrem ins Andere pendeln um unsere Balance zu finden.
Daher kann es auf dem Weg der Selbstfindung gar nicht anders sein, als das wir immer wieder Extreme erleben und leben. Die Erfahrung macht uns weise. Versuche und Scheitern ebnen uns den Weg.
Und die Erfahrung führt uns nach Jahren Selbstoptimierung zu dem Punkt:
Ich will Mensch sein. Und das bedeutet hier zu sein, menschlich zu leben, das irdische Dasein zu genießen.
Immer mehr Menschen erkennen, das auch die Spiri-Szene nicht das Nonplusultra ist. Denn es ist nur eine weitere Identität auf dem Weg zu uns selbst. Die Balance liegt wie erwähnt in der Mitte.
Das Zusammenführen des irdischen Lebens mit dem Bewusstsein über eine nicht sichtbare energetische Welt ist der Schlüssel.
Wir müssen also den Absprung schaffen von „das ist spirituell und das nicht“.
Die spirituell Szene hat mittlerweile soviele Dogmen, das es nichts mehr mit der göttlichen Erfahrung zu tun hat.
Du bist nicht bewusster oder spiritueller, wenn du vegan lebst. Du bist nicht bewusster, wenn du jeden Tag meditierst. Denn defacto gibt es aus höchster Perspektive keinen Vergleich. Daher ist alles einfach wie es ist. Jeder einzelne von uns entscheidet individuell, wie er/sie das Leben erfahren möchte.
Das schöne ist, das nur die Erfahrung - indem wir alle Facetten erleben- uns zu der Erkenntnis bringt, das wir niemals aus dem irdischen Leben flüchten mussten. Alles worum es immer ging, ist und war, in den Körper zu kommen, den Körper anzunehmen und ihn als wunderbares Werkzeug für sämtliche Erfahrungen zu nutzen.
Das Göttliche ist alles, denn Gott unterscheidet nicht, was besser oder schlechter ist. Aber Gott möchte sich durch uns erfahren, in alle Richtungen.
Gott ist der Mörder und die helfende Hand. Gott isst Fleisch und tötet Tiere, und zugleich heilt er und erschafft Wunder. Das Ego liebt es, Dinge zu misinterpretieten, also sei achtsam, was bei diesem vorangegangenen Satz in dir passiert. Wunderbar erklärt hat es Nele Donald Walsh in seinem Buch „Gespräche mit Gott“, das alles, was es zu wissen gibt, zusammenfasst.
Wenn du an dem Punkt angekommen bist, die Dualität zu begreifen, dann herzlichen Glückwunsch. Du kannst jetzt das Leben in vollen Zügen genießen.
Es gibt kein schlechter oder besser. Es gibt nur deine Entscheidung, und jede Entscheidung hat eine Konsequenz mit der du leben wirst.
Viele von uns spüren es jetzt deutlich: Spirituelle Konzepte haben nicht mehr die Bedeutung, wie sie einst hatten:
„Weil du nicht länger den Anschein erwecken musst, spirituell zu sein, um zu wissen, wer du bist.
Bei wahrer Befreiung geht es nicht darum, eine Identität zu sein.
Es geht um den Mut, das Leben mit all seinen Widersprüchen voll und ganz zu leben, ohne die Verbindung zu dir selbst zu verlieren.
Dies ist die alchemistische Phase – auch bekannt als die „Lass uns herumalbern und herausfinden, was dieses Mal passiert“-Phase.
Dann wird dir klar: Wow, Gott ist auch im Chaos, in der Destruktivität, im "Schlechten".
Du beanspruchst deine reine Menschlichkeit als heilig und verstehst, dass es bei Spiritualität nicht um Reinheit geht.
Es ist unsere Reise durch die Unter-, Mittel- und Oberwelten, bei der wir uns daran erinnern, dass der Sinn dieser ganzen Existenz die Ganzheit ist, und dazu gehört auch die Integration von Dunkelheit und Schatten.“ (übersetzt von @belovedjyoti)
Jeder steht auf seinem ganz persönlichen Teil des Weges. Ich für meinen Teil gehe ohne Label und ohne Dogmen auf meinem Weg weiter. Ich habe etwas grundsätzliches verstanden: Mensch sein und als Mensch leben ist das spirituellste, was es je geben wird. Und alle Erfahrungen gehören dazu. Ich kann unterscheiden, was zum Gesamtwohl beiträgt, was der Welt dient, und was meine eigennützigen Motive sind.
Ich erkenne mich in allem was ist, denn wie sagt Eckhardt Tolle so schön: "Ultimativ gibt es keinen anderen, du triffst immer eine Version deiner Selbst."
Aloha.




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